Neubau Arztpraxis: Allendorf bekommt jungen Arzt

Zur Sicherung der ärztlichen Versorgung ist es wichtig, rechtzeitig Weichen zu stellen und die Infrastruktur zur Ansiedlung eines weiteren Arztes in unserer Gemeinde zu schaffen.

Foto: Tobias KochFoto: Tobias Koch

Bereits seit einigen Jahren versucht die Gemeinde über Anzeigen in Fachzeitschriften und Zeitungen einen weiteren Arzt für unsere Gemeinde zu finden. Nun bietet sich die Gelegenheit ab dem 01.01.2022 einen jungen Arzt in unserer Gemeinde anzusiedeln. Dazu soll im Heinrich-Heine-Weg eine Arztpraxis errichtet werden.

Für den Bau hat der Gemeindevorstand 1 Mio. Euro veranschlagt. Die Planungskosten in Höhe von 220.000,- € sollen im Nachtragshaushalt 2020 finanziert werden, der Rest im Haushalt 2021. Die Folgekosten der nächsten Jahre werden von der Gemeinde übernommen. Derzeit prüft der Gemeindevorstand die nutzbaren Fördermöglichkeiten durch Bund, Land, Landkreis und Europa.

Die Gemeindevertretung hat dem Antrag des Gemeindevorstandes einstimmig zugestimmt.

Stellungnahme von Jürgen Hoffmann, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Die CDU unterstützt das Vorhaben ausdrücklich und freut sich, dass endlich ein weiterer Arzt für Allendorf (Eder) gefunden wurde.

Im Bedarfsplan der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 01.03.2019 heißt es:

Die Vorhersagen zum Äerztemangel insgesamt treffen gerade in der hausärztlichen Versorgung zu.

Der Ärztemangel in der hausärztlichen Versorgung hat im Wesentlichen folgende Ursachen:

1. Ist dieTeilzeitbeschäftigung in Einzelpraxen von 1% (2007) auf 21% (2018) angestiegen

2. Streben Ärzte zunehmend eher ein Anstellungsverhältnis als die Führung ihrer eigenen Einzelpraxis an

3. kommt im ländlichen Raum zusätzlich dessen fehlende Attraktivität erschwerend hinzu.

Die KV teilt ganz Hessen in 72 Planungsbereiche auf. Einer davon ist quasi das Mittelzentrum Allendorf/Battenberg.

Von den 72 Planungsbereichen sind nur noch 10 Bereiche aufgrund von Überversorgung ( VG größer 140%) mit Sperrvermerken versehen.

D.h., 62 Planungsbereiche in Hessen befinden sich mit uns in Konkurrenz bei der Ärztesuche.

Versorgungsgrad

Der Bedarfsplan konstatiert in unserem Planungsbereich derzeit 6 Vertragsärzte.

Was nicht im Bedarfsplan steht:

zwei davon sind im 65. Lebensjahr und einer bereits im 67. Lebensjahr.

Mit diesen 6 Hausärzten ist aufgrund der Entwicklung der Einwohnerzahl unser Versorgungsgrad von 62,81% im Jahr 2018 auf mittlerweile 60,45% gesunken. (Stichtag 01.07.2019 / Einwohnerstand 31.12.2018). Damit liegen wir hinter Sontra (63,57%) auf dem letzten Platz in Hessen

Hätte unser derzeit einziger Hausarzt Dr. Stefan Packebusch bei Erreichen seiner beruflichen Altergrenze aufgehört zu praktizieren, hätten wir seit einem Jahr gar keinen Hausarzt mehr.

Der Versorgungsgrad wäre dann in unserem Planungsbereich auf 50% gesunken und wäre bei rein Allendorfer Betrachtung gleich Null % gewesen. Erstaunlicherweise bewertet die KV Hessen die Situation derzeit nur mit „drohender Unterversorgung“ bei – 1,5 Fehlstellen; aber nicht mit „akuter Unterversorgung“.

Behandlungsfälle

Die Anzahl der durchschnittlichen Behandlungsfälle je Arzt wird von der KV für unseren Bereich mit 1292 Patienten pro Quartal angegeben.

Laut Ärzteblatt wären hinsichtlich der Behandlungsdauer 750 Patienten wünschenswert.

Dr. Packebusch hat in Allendorf 1500 bis 1800 Behandlungsfälle, die in der Spitze in den Wintermonaten auch mal 2300 erreichen können. Dies führt dazu, daß die Praxis regelmäßig pro Quartal für 3 Wochen geschlossen werden muss, da die Obergrenze der Fallzahlen vor Ablauf des Quartal erreicht werden.

Leider sieht die Kassenärztliche Vereinigung ihren Regelungsbedarf lediglich bei Zulassungsbeschränkungen von Ärzten in Gebieten mit Überversorgung aber nicht im Ausgleich von Versorgungslücken und überläßt die Gemeinden hier sich selbst.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Sicherstellung der hausärztlichen Grundversorgung noch nicht einmal zu den kommunalen Pflichtaufgaben gemacht.( wie z.B Brandschutz, Müllentsorgung).

Deshalb sind wir hier auf das freiwillige persönliche Engagement einzelner Personen und des Weitblicks der gemeindlichen Gremien angewiesen.

Denn seit über sechs Jahren sucht ein kleines Team mit Weitblick und Beharrlichkeit nach niederlassungswilligen Ärzten für unsere Gemeinde.

Wir können froh und dankbar sein, daß man uns heute – nach einigen Rückschlägen der Vergangenheit - zusammen mit dem Gemeindevorstand einen vielversprechenden Lösungsansatz anbietet.

Die Tatsache, daß der ansiedlungswillige junge Arzt in der Region geboren und aufgewachsen ist gibt diesmal die berechtigte Hoffnung, daß diese Maßnahme erfolgreich und vor allem auch langfristig sein wird. Darüber hinaus ist der geplante Neubau energetisch nachhaltig, ist Barriere frei, erfüllt die neuesten Anforderungen an eine moderne Arztpraxis und könnte kapazitativ auf zwei Ärzte ausgelegt sein.

Vielleicht können bei der Planung und Umsetzung auch noch Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie, z. B. bezüglich Lüftungstechnik mit einfließen und so eine hochmoderne Arztpraxis entstehen. In unserem Fall ist der Preis dafür nach derzeitiger Schätzung recht hoch.

Deshalb sind alle Beteiligten bei der Umsetzung aufgefordert, die vertretbaren Einsparpotentiale zu nutzen sowie den größtmöglichen Förderanteil auszuschöpfen.

Gemäß Bedarfsplan der KV Hessen dürfen in unserem Planungsbereich insgesamt fünf weitere Hausärzte angesiedelt werden bevor die Zulassungssperrgrenze erreicht wird. Deshalb stehen unsere Aktivitäten nicht im Widerspruch zu einem möglicherweise und wie auch immer in Battenberg geplanten Ärztehaus.

Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung mag zwar keine Pflichtaufgabe der Kommune sein, aber sie ist ein existenziell wichtiger Beitrag zur Daseinsvorsorge. Deshalb wäre es verantwortungslos, wenn wir diese einmalige Chance zur langfristigen Sicherung der hausärztlichen Versorgung in der Gemeinde Allendorf ungenutzt verstreichen ließen.